“Atmen,… atmen!” sagt die Stimme. “Auch die, die liegen, atmen tieeeef in ihren Bauch“, sagt sie. Damit bin dann wohl ich gemeint: ich bin eine von denen, die liegen. Wo bin ich hier nur hin geraten?
Gestern war alles noch so einfach, und durchaus informativ. Wir hatten uns nach ein paar Kennenlernübungen ein Video über Ganzkörper-Orgasmus angesehen und darüber gesprochen. Über all die Ängste und Vorurteile und Möglichkeiten, die ein freier Umgang mit unserer sexuellen Energie bei uns auslöst.
Und nun liege ich hier, und wieder: “atmen!”.
Meine Körper-Energien kommen ziemlich ins fließen, da rollt eine Welle heftiger Empfindungen meine Beine hoch, in meinem Becken rein,… uiii, die will ich da gar nicht haben! Schließlich weiß ich ja aber doch, dass mein Becken sich nach freiere Lustentfaltung sehnt, und das schon seit Jahren. Und ich weiß von mir, dass mir Lust nicht so leicht fällt, auch das seit Jahren. Und nun so viel Energie, und ich mittendrin.
Ich kann die Empfindung fast nicht mehr unterdrücken. Ich muss die Energie jetzt tatsächlich durch mich hindurch fließen lassen.
“Atmen, immer wieder atmen, tief in den Bauch hinein“. Und wenn ich jetzt das Becken noch ein wenig bewege, dann wird es tatsächlich mich durch fluten, mein Empfinden…
5 Minuten später ist die Session zu Ende. Lisa hat mich dabei unterstützt, meine Energien mehr als gewöhnlich in Bewegung zu bringen. Meine feinstofflichen Körperenergien, die sie durch ihre Intention und mit Hilfe ihrer Hände tatsächlich in Bewegung bringt, stärker als ich das bisher selbst gemacht habe. Ich meine, ich muss schon mitmachen, aber es ist erstaunlich, wie intensiv sich das für mich anfühlt, wenn ein anderer diese Energiebewegung unterstützt.
Die Blockade, die ich vorhin im Becken gespürt habe und vor deren Auflösung ich mich gefürchtet habe, ist nun weg. Ich fühle mich ganz gelöst und, ja, irgendwie lustvoll. Das Seminar heißt Ganzkörper-Ekstase, und ist ein Wochenendkurs in der Liebesschule.
Zwei Männer, Ramos und Sotantar, leiten hier zum 13. Mal, ein Seminar zur Entdeckungserweckung der feinstofflichen Energie-Bewegung im eigenen Körper. Das klingt erst mal ziemlich abgefahren, und ich, die ich mit esoterischen Gedanken Gebäuden sogar nichts am Hut habe, bin da auch ein bisschen überfordert, zuerst einmal. Aber die Anderen sind auch ganz normale Menschen. Ina, die nach langer Ehe ihr eigenes Empfinden wieder mehr für sich entdecken möchte. Fritz, der einfach noch was neues lernen möchte in der Tantra-Welt, die er seit 20 Jahren gut kennt. Sophie, die sich für Erregung ohne Berührung interessiert. Alle kommen hier auf ihre Kosten, und auch ich empfinde an diesem Wochenende so noch nie gekannte Lust in mir.
Es ist wirklich, auch wenn ich mich gar nicht auf den sexuellen Aspekt konzentriert habe, ein ganz neues Leben in meinem Becken und in meiner Brust, eigentlich sogar in meinem ganzen Körper für mich spürbar. SamstagAbends fühl ich mich energiegeladen und könnte noch Bäume ausreißen. Das ist nach fast 12 Stunden Kurstag eigentlich erstaunlich.
Am Sonntag landen wir mit der ganzen Gruppe ganz gemütlich wieder und haben dabei gut Zeit, miteinander über das Erlebte zu sprechen und es zu integrieren.
Diese Sessions, die wir miteinander zu zweit oder zu dritt oder sogar alleine machen, führen in ein Lebensgefühl, dass mich an meine Kindheit erinnert. Frei, energetisch und wild. Ich fühle mich den Anderen sehr verbunden und erlebe Momente tiefster Zuneigung, Offenheit und emotionaler Berührung, und das mit Menschen, die ich kaum 48 Stunden kenne.
Im Nachhinein gesehen hat dieses Seminar mein Leben verändert. Ich gehe offen auf andere zu, ich werde von anderen offener gegrüßt, umarmt, ich kann meine Energie und meine Eigenarten mehr nach außen bringen, ohne mich dafür zu schämen. Ich freue mich darauf, zu atmen – etwas, was ich bisher ganz oft unterdrückt habe.
Und meine neue Empfindungsfähigkeit kann ich auch mit meinem Partner gut ausleben, ganz ohne esoterischen Schnickschnack. Ich weiß jetzt mehr über Kundalini, deren Erweckung und Fluß und über Aura, über Feinstofflichkeit und doch ist es etwas ganz handfestes praktisch einsetzbares, das ich da kennengelernt habe.
Deshalb nun erstmal: Atmen…